Die größten Herausforderungen bei der Implementierung des Digitalel Produktpasses (DPP)

November 19, 2025
Oguzhan Goncu

Die größten Herausforderungen bei der Implementierung des Digitalel Produktpasses (DPP)

Mit der Ecodesign for Sustainable Products Regulation (ESPR) wird der Digitale Produktpass (DPP) zu einem zentralen Hebel der europäischen Nachhaltigkeitspolitik. Er soll Transparenz über Materialien, Herkunft und Umweltauswirkungen schaffen und die Kreislaufwirtschaft in der EU deutlich voranbringen.

Die Einführung des DPP ist für Hersteller mehr als nur eine Compliance-Aufgabe. Sie ist eine tiefgreifende Transformation von Datenarchitektur, Lieferketten Governance und IT-Systemen. Die folgenden fünf Herausforderungen werden unserer Einschätzung nach auf Unternehmen zukommen.

1. Fehlende Datenverfügbarkeit und Datenqualität in komplexen Lieferketten

Die größte Hürde liegt im Zugang zu verlässlichen, produktspezifischen Daten, vor allem in mehrstufigen Lieferketten. Viele Zulieferer der Ebenen Tier 2 und Tier 3, insbesondere KMU, verfügen nicht über digitale Schnittstellen oder standardisierte Prozesse zur Datenerfassung.

Für Hersteller bedeutet das eine aktive Förderung der Datenreife ihrer Lieferanten durch klare Vertragsvorgaben, Audits sowie digitale Werkzeuge für Erfassung und Validierung.

Fehlen diese Mechanismen, steigt das Risiko von Greenwashing-Vorwürfen. Zugleich nimmt das regulatorische Haftungsrisiko zu, weil unvollständige oder falsche Angaben dem Inverkehrbringer zugerechnet werden.

2. Interoperabilität und Standards

Ein weiteres Kernproblem ist die technologische Fragmentierung. Verbindliche EU-Standards für Datenmodelle, Programmierschnittstellen und Kommunikationsprotokolle fehlen noch.

Die Folge sind Investitionen in proprietäre Einzellösungen, die später nicht zu EU weiten Plattformen oder Registern passen. Deshalb lohnt es sich frühzeitig in offene Architekturen mit Connectoren für Data Spaces zu investieren. Architekturen wie wie Catena X oder Manufacturing X erleichtern langfristig die Anpassung an regulatorische Vorgaben.

Interoperabilität ist kein technisches Detail, sondern eine strategische Absicherung der Zukunftsfähigkeit.

3. Regulatorische Unsicherheit und dynamische Anforderungen

Die EU konkretisiert die DPP-Anforderungen schrittweise über Delegated Acts. Für viele Produktgruppen, von Textilien bis Elektronik, stehen die Detailvorgaben noch aus.

Unternehmen geraten dadurch in ein klassisches Dilemma. Wer früh investiert, riskiert Fehlinvestitionen, wenn sich Anforderungen ändern. Wer wartet, riskiert, Fristen zu verfehlen.

Die Antwort liegt in modularen IT-Architekturen, die sich schnell auf neue Datenpunkte einstellen lassen, etwa zusätzliche CO₂-Metriken oder veränderte Protokolle für Reparaturschritte. Regulatory Monitoring wird zur Daueraufgabe.

4. Schutz geistigen Eigentums und sensibler Daten

Der DPP verlangt umfangreiche Offenlegung, etwa zu Materialzusammensetzungen und Produktionsprozessen. Für viele Hersteller ist das ein Balanceakt zwischen Transparenz und Schutz von Geschäftsgeheimnissen.

Erforderlich sind technisch gestützte Zugriffskonzepte. Nur berechtigte Akteure, etwa Recycler oder Marktaufsichtsbehörden, dürfen jeweils passende Informationen sehen. Sorgfältig umgesetzte Datenzugriffsrechte in einem Data Governance Framework verringern IP-Risiken und sichern zugleich die gesetzlich geforderte Transparenz.

5. Organisatorische und kulturelle Transformation

Die Einführung des DPP ist kein reines IT-Projekt, sondern eine Change Management Aufgabe. Sie betrifft Recht, Einkauf, Produktion, Nachhaltigkeit, IT und Service gleichermaßen.

Ohne zentrale Steuerung entstehen teure Parallelstrukturen. Interdisziplinäre DPP-Taskforces mit klaren Verantwortlichkeiten, etwa für Data Stewards sowie für Legal, Procurement und IT werden sich in vielen Fällen als effektiv erweisen.

Nur wenn Data Governance, Systemarchitektur und Compliance aufeinander abgestimmt sind, lassen sich die regulatorischen Anforderungen effizient erfüllen und gleichzeitig neue Geschäftsmodelle eröffnen.

Branchenspezifische Unterschiede

Je nach Industrie unterscheiden sich Komplexität und Prioritäten deutlich.

Branche Hauptfokus Besondere Herausforderung
Batterien CO₂-Fußabdruck, Herkunft, Recyclingfähigkeit mehr als 90 Datenpunkte, hohe regulatorische Dichte, Verpflichtung ab Februar 2027
Textilien Materialzusammensetzung, Transparenz in der Lieferkette sehr hohe Stückzahlen, weltweit fragmentierte Supply Chains
Elektronik und Maschinenbau Reparierbarkeit, Langlebigkeit, Ersatzteile langfristige Pflege der Daten und Schutz sensibler IP-Informationen

Die Unterschiede zeigen, dass es keinen Einheitsweg gibt. Jede Branche muss den DPP an die eigene Wertschöpfungslogik und Systemlandschaft anpassen.

Strategische Leitplanken für Hersteller

Wir raten, den DPP nicht nur als Pflicht, sondern als strategische Chance zu betrachten. Drei Leitplanken helfen bei der Umsetzung.

  1. Schrittweise Einführung mit Pilotprodukten
    Kleine, repräsentative Pilotvorhaben machen Datenlücken und Prozessdefizite früh sichtbar. Neben einem Free Trial bietet sqanit auch Starter Packages mit geringer Stückzahl an.
  2. Engagement in Standardisierung und Data Spaces
    Mitarbeit in Catena X, CIRPASS und ähnlichen Initiativen ermöglicht aktives Mitgestalten künftiger Standards.
  3. Compliance plus Mehrwert
    Nutzen Sie DPP-Daten zur Optimierung von Prozessen, Materialeinsatz und Markenkommunikation statt sie nur für die Nachweisführung einzusetzen. In sqanit können Sie den DPP um Funktionen wie den AI-Assistant, Webshop-Verlinkung und vieles mehr erweitern.

Fazit

Die Einführung des Digital Product Passport ist anspruchsvoll, aber unausweichlich. Unternehmen, die jetzt beginnen, können Pflichtaufwände in Wettbewerbsvorteile verwandeln. Das gelingt über bessere Lieferketten, höhere Datenqualität, mehr Resilienz sowie Vertrauen bei Kunden und Partnern.

Der DPP wird sich in den kommenden Jahren zur Voraussetzung für den Marktzugang in Europa und zugleich zu einem entscheidenden Faktor für Differenzierung entwickeln.

Wenn Sie mehr lesen wollen

Offizielle EU-Dokumente & Institutionen

Reports & Studien führender Beratungen

Forschungs- & Institutsberichte

Ergänzende Ressourcen

Oguzhan Goncu

Oguzhan Goncu is a Marketing Manager at sqanit, where he focuses on Digital Product Passport (DPP) solutions and sustainability-driven product innovation. With previous experience in fintech and e-commerce, he combines analytical thinking and creative strategy to communicate complex regulatory topics in a clear and practical way.

Related Posts