Digitaler Produktpass 2026: Vom QR-Code zur Umsatzquelle

November 19, 2025
Oguzhan Goncu

Der Digitale Produktpass (DPP) wird oft als reine Compliance-Pflicht verstanden. Tatsächlich eröffnet er Unternehmen neue Wege, Kosten zu senken und zusätzliche Umsätze zu generieren – direkt über den Produktkontaktpunkt. Entscheidend ist, wie der DPP gestaltet und genutzt wird.

1. Der Digitale Produktpass: Mehr als nur Regulierungsaufwand

Mit dem Inkrafttreten der Ökodesign-Verordnung (ESPR) ist der Digitale Produktpass ab 2026 schrittweise Pflicht. Für viele Hersteller wirkt das zunächst wie ein zusätzlicher Kostenfaktor: Etiketten, Software, Datenerfassung und Wartung verursachen Aufwand.

Doch die Kosten pro Produkt bewegen sich in der Regel im unteren Cent-Bereich. Rechnet man alle Aufwendungen ein, liegen die Gesamtkosten meist bei rund 0,40 Euro pro Einheit. Der eigentliche Hebel liegt daher nicht in der Kostenseite, sondern im Nutzen, den ein intelligenter Einsatz des DPPs schaffen kann.

Der QR- oder NFC-Code am Produkt erfüllt bereits drei Voraussetzungen für eine wirksame Nutzeraktivierung:

  1. Zielgruppe: Die Nutzer des Produkts selbst.
  2. Ort: Direkt am Produkt.
  3. Zeitpunkt: Im Moment der Nutzung, Wartung oder des Problems.

Was noch fehlt, ist relevanter Inhalt. Erst wenn der DPP neben den Pflichtdaten auch Mehrwertinformationen bereitstellt – z. B. zur Fehlerbehebung, Ersatzteilbestellung oder Terminbuchung – entsteht messbarer Geschäftsnutzen.

2. Drei Umsatzhebel im Scan-Moment

Jeder Scan kann messbaren Wert schaffen. Drei Ansätze haben sich dafür etabliert:

a) Fix – Probleme eigenständig lösen

Wenn Kunden über den DPP einfache Anleitungen oder Troubleshooting-Videos finden, sinken Supporttickets und Hotline-Anrufe. Kennzahlen wie Ticket-Deflection-Rate, First-Time-Fix-Rate (FTF) und Mean-Time-to-Resolve (MTTR) zeigen direkte Effekte. Bereits eine Deflection-Rate von 15 Prozent kann Supportkosten deutlich reduzieren.

b) Buy – Passende Ersatz- und Zubehörteile anbieten

Über den DPP können Nutzer direkt passende Komponenten bestellen. Das senkt Fehlkäufe und Retouren und erhöht den Scan-to-Cart-Umsatz. Besonders bei langlebigen Produkten lassen sich so wiederkehrende Umsätze erzielen.

c) Book – Services digital buchen

Wartung, Installation oder Upgrade lassen sich über den DPP-Scan direkt terminieren. Das erhöht Planungssicherheit und Auslastung im Servicegeschäft. Wichtige Kennzahlen sind Scan-to-Book-Rate, No-Show-Rate und der Average Order Value (AOV) im Servicebereich.

Die zentrale Kennziffer über alle drei Ansätze hinweg lautet Wert pro Scan – also der wirtschaftliche Nutzen jedes einzelnen Nutzerkontakts.

Formel:
(Umsatz aus Teilen + Serviceumsätze + eingesparte Supportkosten) ÷ Anzahl der Scans

3. Erfolgsmessung und KPIs

Unternehmen, die den DPP aktiv nutzen, sollten ihn wie einen digitalen Touchpoint steuern. Sinnvolle Metriken sind:

  • Wert pro Scan – durchschnittlicher ökonomischer Beitrag je Aufruf
  • Quote der Wiederholungsscans – Grad der inhaltlichen Relevanz
  • Scan-to-Conversion-Rate – Anteil der Scans, die zu einer Aktion führen
  • Deflection-Rate – Anteil der gelösten Supportfälle ohne Ticket

Diese Kennzahlen machen den DPP steuerbar und vergleichbar mit klassischen digitalen Kanälen.

4. Best Practices für die Umsetzung

1. Revenue- und Compliance-Daten trennen:
Pflichtinformationen (z. B. Materialien, Herkunft, Umweltaspekte) sollten klar von Mehrwertinhalten (Service, Zubehör, Anleitungen) getrennt werden – technisch und redaktionell.

2. Inhalte aktualisieren:
Wer regelmäßig neue Inhalte einspielt, steigert Wiederholungsscans und Nutzungsdauer.

3. Klein starten, schnell lernen:
Ein Pilot mit zehn SKUs, einem Playbook (z. B. Buy), zwei QR-Touchpoints und einem 30-Tage-Messzeitraum liefert verwertbare Erkenntnisse.

4. Organisatorisch verankern:
Ein funktionierender DPP ist kein IT-Projekt, sondern Teil des Kundenerlebnisses. Vertrieb, Service, Produktmanagement und Nachhaltigkeit müssen gemeinsam agieren.

5. Häufige Stolperfallen

  • Zu komplexer Start: Wer zu viele Produktlinien gleichzeitig digitalisiert, verliert Geschwindigkeit.
  • Fehlende Erfolgsmessung: Ohne definierte KPIs bleibt der Business Case unsichtbar.
  • Unklare Verantwortlichkeiten: Ohne klare Governance entstehen doppelte Datenpfade.
  • „Scan-Blindheit“: Wenn QR-Codes nicht sichtbar, intuitiv oder kontextbezogen platziert sind, bleibt der DPP ungenutzt.

6. Vom Pflichtprojekt zur Plattform

Richtig umgesetzt, wird der Digitale Produktpass zu einer Plattform für kontinuierlichen Kundendialog.
Er verbindet regulatorische Transparenz mit wirtschaftlichem Mehrwert:

  • Geringere Supportkosten
  • Zusätzliche Ersatzteil- und Serviceumsätze
  • Stärkere Kundenbindung durch direkten Produktzugang

Unternehmen, die den DPP frühzeitig strategisch nutzen, verwandeln regulatorische Anforderungen in nachhaltige Wettbewerbsvorteile.

Oguzhan Goncu

Oguzhan Goncu is a Marketing Manager at sqanit, where he focuses on Digital Product Passport (DPP) solutions and sustainability-driven product innovation. With previous experience in fintech and e-commerce, he combines analytical thinking and creative strategy to communicate complex regulatory topics in a clear and practical way.

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